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Interview de Klaus Rudolph pour Folkworld (www.folkworld.de)

Don’t Take Your Guns to Strasbourg

Marcel Soulodre (M. Soul) spielt facettenreichen, ausdrucksstarken Country, Folk und Rock and Roll. Er wurde bekannt als Singer/Songwriter und mit „Wanted Man – a Tribute to Johnny Cash“. Seine Johnny-Cash–Interpretationen begeistern Publikum und Kritiker gleichermaßen.

Klaus Rudolph: Marcel, auch in Europa gewinnst Du zunehmend Fans. Du wurdest geboren in Saint-Boniface/Winnipeg im Staat Manitoba, Kanada als 7. von 8 Kindern. Welche Rolle spielt Country Musik in Deiner Heimat?

Marcel Soulodre: Eine ganz, ganz große! Winnipeg ist geradezu ein Zentrum der Country-Musik in Kanada, wie auch für Rock and Roll. „Hauptstadt des Rock and Roll“, sagen manche. Und beides lässt sich hervorragend kombinieren. In Winnipeg kann man im strengen kanadischen Winter bei Minus 30 Grad ja nur 3 Dinge tun: Autos reparieren, Hockey spielen oder Musik machen (lacht).

Music was my First Love“ (John Miles) – für Dich auch?

Marcel Soulodre

Ja! Ich wuchs in einem sehr musikalischen Elternhaus auf: Mein Vater spielte Geige, meine Mutter begleitete ihn auf dem Klavier. Wir spielten z.B. Gospel. Meine Schwestern besaß jede Menge 45er Platten, z.B. von Buddy Holly, Beatles, Stones, Who, Hollies, Elvis Presley – und viel von Bob Dylan. Außerdem ist meine Heimatstadt Winnipeg eine höchst musikalische Stadt, die immer offen war für verschiedene Musikrichtungen. Aus Winnipeg kommen Musiker wie Neil Young und Bachmann, Turner, Overdrive.

Deine musikalischen Wurzeln sind also vielfältig.

Ja, ich bekam früh viele Eindrücke und Anregungen. Muddy Waters konnte ich einmal Backstage begegnen und er hat mich tief beeindruckt. Musik bekam ich fast schon in die Wiege gelegt. Im Alter von 6 lernte ich Klavier. Später fing ich mit Gitarre an. Meine erste italienische EKO-Gitarre war ziemlich Schrott. Mein Vater kaufte mir dann eine japanische MANN-Gitarre, damit ich ihn begleiten konnte. Dad war semiprofessioneller Künstler und begleitete oft Saxophon-Spieler und Bläser. Deshalb lernte ich neben A, E, G, D oder C auch für die Gitarre „ungewöhnliche“ Griffe wie B oder Es. So beherrsche ich viele verschiedene Tonarten auf der Gitarre und kann mit vielen Instrumenten zusammenspielen.

Wie kamst Du zur Profimusik?

Als Jugendlicher war ich sehr schüchtern. Ich spielte nur im Freundeskreis, nicht auf der Bühne. Zur Bühne kam ich über ein Theater, wo ich 7 Jahre lang quasi Mädchen für alles spielte. Erst dort lernte ich die französische Sprache, weil die Theater-Macher viel französisch sprachen. Nach einem schweren Unfall begann ich in 2 Jahren Krankhausaufenthalt richtig Gitarre zu spielen und gründete meine erste Band, die „Ministers of Soul“. Wir spielten unter anderem Soulmusik, zogen durch die Nachtclubs von Winnipeg und hatten schnell Erfolg. Zu dieser Zeit fing ich mit Songschreiben an. Ich wollte als professioneller Musiker arbeiten, doch das war nichts für die anderen Bandmitglieder. Wir lösten die „Ministers of Soul“ auf und ich begann, durch Kanada und die USA zu reisen. Ich arbeitete zwischendrin als Schausteller auf Rummelplätzen. Eine Zeit lang beschäftigte ich mich mit Cajun-Musik, dort wo sie herkommt – aus dem Süden der USA, aus Louisiana. In Lafayette lernte ich viel über Cajun-Musik.

Wann hast Du zuerst Johnny Cash gehört?

Johnny Cash habe ich schon als Kind für mich entdeckt, war begeistert von seiner Musik. Er war im Radio, im Fernsehen, überall. Ich spielte übrigens mal in einer Postpunk-Band seine Lieder, unter anderem „Ring of Fire“ in einer punkigen Disco-Version.

… und irgendwann hast Du ein Johnny Cash Programm entwickelt.

Um 2002 habe ich für „Wanted Man“, unsere Johnny Cash Show, 1 Jahr lang intensiv recherchiert. Neben der Musik beschäftigte ich mich mit Interviews, sah mir Videos an und las alle Bücher über Johnny Cash, die ich in die Hände kriegen konnte. Ich richtig fasziniert von Johnny Cash und entdeckte seine Musik neu. Doch ich sah auch eines: Der frühe, mitreißende Johnny Cash meiner Kindheit wurde in späteren Jahren, vor allem im Fernsehen, fruchtbar langweilig! In den 80er Jahren ist Cash leider öder Main-Stream geworden. Ich wollte den „authentischeren“ Johnny Cash wieder aufleben lassen.

Was ist das Besondere an Deiner Johnny Cash Show?

Marcel Soulodre: Wanted Man

Eigentlich mag ich Tribute-Shows überhaupt nicht. Das kommt aus meiner Theatererfahrung. Tribute-Shows sind oft schlechtes Theater. Das Schlimmste, was es für mich gibt, ist schlechtes Theater. Mir war klar, wenn ich etwas in Richtung Tribute-Show mache, muss es gut werden. Es sollte realistisch sein. Ein Schlüssel dazu ist die passende Tonart. „Folsom Prison Blues“ ist z.B. in F. Diese und andere Lagen hatte ich für Gitarre gelernt, um meinen Vater zu begleiten. Und so kam mir die Idee, wie ich Cashs Stücken frischen Atem einhauchen konnte. Wenn Du die Tonhöhe änderst, auch nur um eine halbe Note, ändert sich plötzlich viel – die Tonfarbe, der Ausdruck, die Energie – einfach alles. Ein seit vielen Jahren bekanntes Stück wie „Folsom Prison Blues“ (… I hear the train a-comin …) hat jeder im Kopf. Spielt Du es in einer neuen Tonart, klingt es plötzlich ganz anders und Du denkst – wow!!! Gitarrespieler schrecken vor ungewöhnlichen Tonarten meist zurück, denn im Rock and Roll, in Blues und Country werden z.B. B und Es selten gespielt. Doch in der damaligen Fiddle-Musik meines Vaters oder auch im Rhythm and Blues gibt es diese Keys. Da sind Saxophon und Trompete dabei. Am Anfang war ich mir etwas unsicher mit der Show, da ich in einer höheren Tonart als Cash singe. Doch nun interpretiere ich Cashs Lieder auf meine eigene Weise …

… und das Publikum spürt das!

Ich habe an meine Musik einen professionellen Anspruch und möchte die Songs, die ich singe, dem Publikum mit „Soul“ und meiner Persönlichkeit geben.

Stücke wie „Ring of Fire“ klingen vertraut und doch auch inspirierend neu. Das reißt das Publikum mit – wie kann man Deine Show „Tribute to Johnny Cash“ beschreiben?

„Ich bin Johnny Cash“, sagte Johnny Cash bei seinem Folsom Prison Auftritt. So sehe ich meine Auftritte nicht. Ich imitiere Johnny Cash nicht. Ich spiele bei meinen Auftritten die Stücke zu Beginn ohne Ansagen. Danach erzähle ich auch einige Details aus Johnny Cashs Leben und zu seinen Stücken. Mir war es immer wichtig, ihn mit meinen künstlerischen Mitteln zu interpretieren. Das Publikum darf spüren, dass wir Johnny Cash mögen, ihn feiern und aufleben lassen.

Die französische „Country Music Association“ CMA nominierte Dich als „männlichen Sänger des Jahres“ und „Don’t Take Your Guns to Town“ für das „Album des Jahres“. Wie oft warst Du auf der Bühne mit „Wanted Man – a Tribute to Johnny Cash?

Marcel Soulodre

Mitgezählt haben wir nicht, aber seit 2003 dürften wir die Show knapp 400 mal gespielt haben. Beim ersten Auftritt in Kanada begannen wir mit nur 10 Songs von Johnny Cash. Das Publikum wollte Zugaben, doch mehr hatten wir damals nicht drauf! Da haben wir die gleichen 10 Stücke noch mal gespielt(lacht). Kurz danach, im September 2003, starb Johnny Cash – und unsere Tournee war sofort ausverkauft. Aus ursprünglich geplanten 3 Wochen wurden 3 Jahre, die wir kreuz und quer durch Kanada und die USA tourten.

Wann kamst Du von Kanada nach Europa?

Im Jahr 2007 spielten wir „Wanted Man“ zum ersten Mal in Europa. Die Publikumsresonanz war sehr positiv. Mir gefiel es hier sofort und kurz danach stand für mich fest, mich in Frankreich niederzulassen.

Marcel, du lebst südlich von Straßburg und hast dort auch schon Alben aufgenommen. Wie passen Elsass und Country Musik zusammen?

Beides passt sehr gut zusammen, die Leute hier und auf der anderen Rheinseite in Deutschland mögen Country und Johnny Cash. Schön ist natürlich, dass auch Jüngere auf Johnny Cash stehen. Übrigens sind manchmal einige junge Heavy Metal Fans im Publikum.

Bist Du häufiger in Europa oder in Kanada unterwegs?

Ich bin seit 9 Jahren in Europa. Hier produziere ich meine Alben und gehe auf Tournee. In den letzten Jahren war ich selten in Kanada. Doch ich kann mir vorstellen, dort auch wieder aufzutreten.

Was ist Dein Favorit unter Johnny Cashs Liedern?

Ich habe 2 Favoriten von Johnny Cash. Einmal seine Eigenkomposition „Big River“, über eine verlorene Liebe am Mississippi. Und einen Coversong: „Sunday Morning Coming Down“ von Kris Kristofferson, über die Einsamkeit eines Mannes an einem Sonntagmorgen.

Deine Version von „Personal Jesus“ ist stärker, rockiger und erdiger im Vergleich zum Original von Depeche Mode oder auch zur Johnny Cash Version.

Ja, die E-Gitarre dominiert im Stück, mit Verzerrer. Die Depeche Mode Variante ist nicht so unser Ding, wir wollten eine andere Energie im Stück.

Was heißt „Personal Jesus“ für Dich?

Nun, meine Großmutter war Baptistin und ziemlich religiös. Kein Alkohol, keine Genussmittel. So bin ich allerdings nicht drauf. Meine Beziehung zum Song „Personal Jesus“ ist vielmehr, dass ich viele Jahre on the Road war und meine Kontakte und Beziehungen nur über das Telefon pflegen konnte – „Flesh and Bone by the Telephone“ eben.

Du bist auch Songwriter.

Ja, ca. 100 Songs habe ich bis jetzt geschrieben. Viele zusammen mit meinem Freund Bernard Bocquel. In den Musikstilen Folk, R+B, Chanson und Country.

Marcel Soulodre: Que je recommence

Du bist zweisprachig aufgewachsen, nämlich englisch und französisch, spiegeln dies auch Deine Alben wieder?

Mit meiner Band „Ministers of Soul“ brachte ich eine ausschließlich englische Audiokassette heraus. Das erste französische Album nahm ich mit der Canadian Broadcasting Company (CBC) auf. CBC wollte eigentlich alle Songs nur in Englisch haben, denn das ist im Sendegebiet gebräuchlich. Doch ich lehnte ab. Dann bot CBC an, ein gemischtes englisch/französisches Album aufzunehmen. Mir schwebten aber ausschließlich französische Songs vor. CBC lenkte ein und so entstand 1995 mit “J‘Avais Dans les Yeux“ das einzige Album mit ausschließlich französischen Songs, das die CBC je produziert hat.

Auf „Giddy Up“ sind englische Songs, die CD ist 1999 erschienen. Englischsprachig sind natürlich auch die beiden Johnny Cash CDs „Wanted Man“ (2008) und „Don’t Bring your Guns to Town“ (2013). „Que Je Recommence“ enthält französische Titel.

Mit „Giddy Up“ verlässt mich mein Schulenglisch – was heißt das?

Ganz einfach: „Hü“ oder „Hott“ beim Pferdereiten.

Hast Du für Dich oder Deine Musik ein Motto?

Zuallererst: Mache Musik mit Herz und Seele, sonst ist sie nicht echt. Musik bringt Menschen zusammen, über alle Grenzen hinweg. Während Politik die Menschen oft auseinander bringt.

Arbeitest Du mit Plattenfirmen zusammen?

Ich hatte Angebote aus der Musikindustrie. Allerdings hätte ich einiges von meiner Unabhängigkeit aufgeben müssen. Bei Freunden habe ich gesehen, wie sehr sie durch Verträge geknebelt wurden. Das wäre für meine künstlerische Entwicklung nicht gut gewesen, denn ich möchte dem Publikum Musik aus einer Hand bieten. So habe ich abgelehnt, auch wenn ich damit keine großen Stückzahlen verkaufe. Aufnahme und Produktion meiner Alben habe ich selbst in der Hand. z.B. ist meine letzte CD „Don’t Take your Guns to Town“ in meinem eigenen Tonstudio in unserem Haus im Elsass entstanden. Und zwar, worauf die Band und ich stolz sind, live Aufnahmen in einem Take, ohne Mehrspurtechnik. Auf diese Art und Weise kommen auf dem Album die Energie und Authentizität von Johnny Cash Musik sehr gut rüber.

Marcel Soulodre: Don't Take Your Guns to Town

Vor kurzem benannten Wissenschaftler eine schwarze Spinnenart nach Johnny Cash [Aphonopelma johnnycashi], die in Kalifornien nahe des Folsom-Prison vorkommt. Welches Tier würde zu Marcel Soulodre passen?

Der Fuchs. Denn ein Fuchs ist ein gutes Omen. Im weitläufigen Manitoba sehe ich ihn eher selten, im dicht besiedelten Europa häufiger. Ein Fuchs an der Straße bedeutet für mich also „gute Fahrt“.

Kommt 2016 ein neues Album raus?

Meine neue CD mit eigenen Liedern trägt den Titel „This Time the Girl is in Trouble“. Die Songs handeln vor allem von Mann und Frau. Die CD-Release-Party ist im Mai 2016 in Straßburg.

Wie sieht es 2016 mit Auftritten aus?

Mit der Band bin ich 2016 mit der „Wanted Man“ Show zu Johnny Cash ‚on the Road‘. Daneben gibt es Duo-Auftritte mit einem Begleitmusiker und Soloauftritte. Auch steht eine Rock’n-Roll-Show auf dem Programm. Neu im Programm ist ab Juli „Invitation en Voyage“, eine Reise in Richtung Chanson/Folk.

Wo kann man Dich 2016 in Deutschland hören?

Unter anderem in Oberkirch am 29. April, in Oberstrot am 7. Mai und in Freiburg im Breisgau am 2. Dezember 2016.

Und Schweiz und Frankreich?

In der Schweiz spielen wir unter anderem auf dem Country Festival in Bellevue am 4. und 5. Juni und auf dem Country-Festival in Unterwasser am 27. August. In Frankreich bin ich zusammen mit Jean-Paul Wahl-Distel eine Woche in der Bretagne unterwegs Mitte April. Außerdem gibt es weitere Auftritte im Elsass. Wir spielen in Österreich auf dem Country-Festival in Münzbach am 20. August. Aktuelle Termine gibt’s auf www.m-soul.com.

Marcel, vielen Dank für dieses spannende Interview mit Musikdemo! (Während des Interviews spielte Marcel viele Stückbeispiele auf der akustischen Gitarre.) Alles Gute weiterhin.

http://folkworld.de/59/d/soul.html

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